veröffentlicht am
28.03.2024
von Martin Spreitz
Aufwärmen vor dem Spiel – das Maximum aus dem Notwendigen herausholen
Spricht man mit Fußballer:innen, wird kaum jemand sagen, dass das Aufwärmen - egal ob vor einem Training oder einem Spiel - zu den Lieblingsdingen an der so geliebten Sportart gehört. Dennoch gehört es zum Fußball wie der Schiedsrichter. Deswegen zählt: Keine Höchstleistungen ohne Warm Up. Es gibt riesengroße Unterschiede bei Umfang, Intensität, Länge, Inhalt und Durchführung eines Aufwärmprogramms und so viel sei vorweggenommen: es gibt keinen goldenen Weg. Ein sehr bekanntes Beispiel hierfür ist das weit verbreitete Video von Diego Maradona vor dem UEFA Cup Halbfinale 1989 gegen den FC Bayern München. Im Grunde kann man es gar nicht "Aufwärmen" nennen, sondern es war eher nur ein Tanz mit dem runden Leder, bei dem er sich in Stimmung für Großes gebracht hat - und womöglich die Gegenspieler gezielt abgelenkt und etwas provoziert hat. Jedenfalls hat es funktioniert. Mit zwei Assists brachte er den SSC Napoli auf den Weg ins Finale des UEFA Pokals. Ich selbst habe eine Mannschaft trainiert, die einen ganz anderen Weg ging. Jedes Warm Up hat nahezu 35 Minuten gedauert und war von hoher Intensität, inklusive einiger Stabilisations- und Kräftigungsübungen, geprägt. Wie bei Maradona hat es die Spieler ebenso dazu gebracht sehr gute Leistungen zu bringen. Und das ist für mich persönlich eines der wichtigsten Erkenntnisse: ein gutes Aufwärmprogramm muss vor allem für die Spieler passen, nicht für die Trainer - schließlich ist es ja die Vorbereitung für die Trainer. Bevor wir jedoch in die Praxis gehen, noch ein kleiner Ausflug in die Theorie: "Das Aufwärmtraining, auch Warmmachen oder im Englischen Warm-up genannt, beschreibt Vorgänge und Übungen die beim Fußball vor der eigentlichen Einheit (Training oder Spiel) durchgeführt werden."(1) Wie die Benennung "Aufwärmen" schon sagt, geht es im ersten Schritt darum, die Körpertemperatur anzuheben und in weiterer Folge sportartspezifische Muskelgruppen zu aktivieren. Dies senkt das Verletzungsrisiko, regt das Herz-Kreislauf-System an und bereitet den Körper auf die bevorstehenden Anstrengungen vor.
Nun zurück in die Praxis: um diese Vorbereitungen bestmöglich auszuführen und das Maximum aus den eigenen, körperlichen Voraussetzungen herauszuholen, müssen die Spieler:innen ihren Körper kennen und wissen, welche Maßnahmen notwendig sind, um möglichst ans Leistungsmaximum zu gelangen. Bei meiner aktuellen Trainertätigkeit in der U23 eines Profi-Vereines, habe ich die guten Erfahrungen der oben erwähnten Mannschaft einfließen lassen und die Intensität des Warm Ups hochgehalten. Zusätzlich habe ich Erkenntnisse einer Hospitation beim FC Augsburg im November 2022 einfließen lassen.
Da aus der Profi-Mannschaft immer wieder Spieler zu uns stoßen, habe ich von einem gehört, dass das Aufwärmprogramm unter meiner Leitung das anstrengendste wäre, das er je gemacht hätte. Ich entgegnete ihm darauf, dass wir seit der Umstellung des Warm Ups "zu diesem Zeitpunkt war das knapp ein Jahr her" keine Muskelverletzungen im Spiel hatten und das ja sehr wichtig sei. Dennoch habe ich mir Gedanken darüber gemacht, etwas in die Mannschaft reingehört und erfahren, dass die Spieler das Programm zum Teil als zu intensiv befinden. Nach einem Vorschlag der Spieler, dass wir einen Teil der Kräftigung weglassen könnten, bin ich mit einem Augenzwinkern die Wette eingegangen, dass wir es versuchen können, sie dann aber in der Pflicht stehen und die übrige Energie ja in die bevorstehenden 90 Minuten legen könnten. Sollte der Ausgang sehr positiv sein, würden wir den Teil zukünftig immer weglassen: Endergebnis 7:0 für uns und keine "Stabis" mehr vor den Spielen.
Mein Fazit: die Herausforderung ist es, einen guten Mittelweg aus perfekter Vorbereitung für die Spieler und Verletzungsprophylaxe zu finden - aber wenn das bloß so einfach wäre...
Quellen:
(1) fussballtraining.de/, ohne Angabe
Zur Vollständigkeit könnt ihr hier unser aktuelles Aufwärmprogramm sehen:
Aufbau:
- A à Zone zum Einlaufen, 20x7 (gelbe Hütchen) bzw. 12 Meter (blaue Hütchen) lang
- B à Feld für Technikübungen und Spielformen, 20x20 Meter
- C à trapezförmiger Aufbau für die Torschussübung, Breite 7 Meter an der kurzen und 11 Meter an der langen Stirnseite, 8 Meter Tiefe
Einlaufen:
- Als erstes nehmen die Spieler die Bälle und haben 2-3 Minuten zur freien Ballgewöhnung
- Danach gemeinsames Einlaufen unter Anleitung des Trainers
- 3 Längen normales Laufen und jeweils Rückwärtslauf bis zur Grundlinie
- Danach verschiedene Movement Preparations
- Laufschule mit Aufwärmübungen
- Trinkpause mit selbstständigem, dynamischem Dehnen (pro Übung ca. 5-7 Sekunden und mit Bewegungen a KEIN statisches Halten)
Technikteil:
- Die 10 Startspieler werden in defensiv und offensiv eingeteilt
- An jeder Außenlinie befindet sich ein Anspieler, in den Farben den Teams zugeteilt, wobei die Farben der Anspieler erst in der Spielform greifen. Bei 5 oder mehr Wechselspielern können diese gerne im ersten Teil als zusätzliche Anspieler eingebunden werden um mehr Anspielstationen zu schaffen
- 1 à Die Bälle sind bei den Anspielern. Die Startspieler im Zentrum laufen zu den Anspielern, bekommen die Bälle zwei Mal zugespielt und lassen jeweils mit rechts und links klatschen. Danach laufen sie zum nächsten freien Außenspieler.
- 2 à Die Startspieler im Zentrum fordern die Bälle von den Anspielern und machen einen Schulterblick. Nach dem Zuspiel wird der erste Kontakt in die Bewegung mitgenommen und der Ball nach kurzem Dribbling zu einem freien Außenspieler gespielt.
- 3 à Die Startspieler im Zentrum fordern die Bälle von den Anspielern und machen einen Schulterblick. Nach dem Zuspiel wird der erste Kontakt in die Bewegung mitgenommen und ein freier Spieler im Zentrum für einen Klatschball gesucht. Nach dem Klatschball wird der Ball zu einem freien Außenspieler gepasst. Der Spieler, der den Klatschball spielt, bewegt sich danach mit einer kurzen Temposteigerung in den freien Raum (Anschlussbewegung).
- 4 à Die Startspieler im Zentrum fordern die Bälle von den Anspielern und machen einen Schulterblick. Nach dem Zuspiel wird der erste Kontakt in die Bewegung mitgenommen und ein freier Spieler im Zentrum für ein Zuspiel gesucht. Der Spieler, der den Ball bekommt, nimmt den ersten Kontakt wiederum in die Bewegung mit und passt den Ball zu einem freien Außenspieler. Nach JEDEM Abspiel im Zentrum erfolgt eine kurze Temposteigerung in den freien Raum (Anschlussbewegung).
- Nach dem Technikteil wird ein 5 + 2 gegen 5 + 2 gespielt. Durch die zugeteilten Anspieler erfolgt nach jedem Ballgewinn eine Änderung der Spielrichtung, wodurch das Umschaltverhalten simuliert wird. Dauer ca. 50 Sekunden, 2 Durchgänge
Torschuss:
- Variante (grüne Pfeile) à Der Ball wird diagonal zum Spieler am vorderen Hütchen gespielt. Dieser nimmt den ersten Kontakt in die Bewegung mit und schließt mit dem zweiten Kontakt auf das Tor ab. Je eine Wiederholung auf beiden Seiten
- Variante (rote Pfeile) à Der Ball wird diagonal zum Spieler am vorderen Hütchen gespielt und wieder auf den Passgeber klatschen gelassen. Dieser schließt direkt auf das Tor ab. Je eine Wiederholung auf beiden Seiten
Spielzüge:
Die beiden Innenverteidiger und ein defensiver Mittelfeldspieler befinden sich im Raum vor der Mittellinie und lassen den Ball zirkulieren. Die Außenverteidiger bieten sich hoch am Flügel an. Die restlichen Spieler befinden sich im Zentrum vor dem Strafraum. Bei zwei defensiven Mittelfeldspielern ca. nach 2-3 Minuten wechseln.
- Variante (rote Pfeile) à nach der Ballzirkulation wird vom defensiven Mittelfeldspieler oder vom spielerentfernten Innenverteidiger ein hoher Diagonalball in den Lauf des diagonal einlaufenden Außenverteidiger gespielt. Nach dem der Außenverteidiger den Ball unter Kontrolle gebracht hat und ggf. noch diagonal eindribbelt, spielt er den Ball flach und scharf auf die kreuzenden Stürmer, die auf das Tor abschließen.
- Variante (blaue Pfeile) à nach der Ballzirkulation wird vom defensiven Mittelfeldspieler oder vom spielerentfernten Innenverteidiger ein hoher Diagonalball Fuß des breit und hoch stehenden Außenverteidigers gespielt. Nach dem der Außenverteidiger den Ball unter Kontrolle gebracht hat, flankt er den Ball aus dem Halbfeld auf die kreuzenden Stürmer, die auf das Tor abschließen.
- Die Zuspiele können variiert werden. Bspw. Können die Innenverteidiger auch breiter gehen und den ballnahen Außenverteidiger flach anspielen.
- Dauer: ca. 4 Minuten
Antritte/Sprints:
- Zum Abschluss werden noch 3 Antritte gemacht. Dafür stellen sich die Spieler im Kreis um den Trainer auf (Abstand zum Trainer ca. 7 bis 10 Meter).
- Die Spieler laufen langsam zum Trainer und auf Kommando drehen sie sich und sprinten nach außen weg.
- Durch weitere Kommandos können noch weitere Richtungswechsel eingebaut werden.